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Update: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Google-Fonts-Abmahnungen

Bildnachweis: Ilya Pavlov / Unsplash

Ende letzten Jahres kam es vermehrt zu „Abmahnungen“ bezüglich der datenschutzwidrigen Einbindung von „Google Fonts“ auf den Webseiten von Betrieben – auch von Wohnhandwerkern.

Am 21. Dezember 2022 kam es nun zu einem Paukenschlag in dieser lästigen Affäre: Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin vollstreckte in einem Verfahren gegen zwei Beschuldigte – einen 53‑jährigen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und dessen 41‑jährigen Mandanten, dem angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“ –wegen des Verdachts des (teils) versuchten Abmahnbetruges und der (versuchten) Erpressung in mindestens 2.418 Fällen Durchsuchungsbeschlüsse in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden sowie zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme vom 346.000 Euro.

Den Beschuldigten wird vorgeworfen, bundesweit Privatpersonen und Kleingewerbetreibende, die auf Ihren Homepages sog. „Google Fonts“ – ein interaktives Verzeichnis mit über 1.400 Schriftarten, die das Schriftbild einer Webseite bestimmen – eingesetzt haben, per Anwaltsschreiben abgemahnt zu haben. Zugleich wurde diesen angeboten, ein Zivilverfahren gegen Zahlung einer Vergleichssumme in Höhe von jeweils 170 Euro vermeiden zu können. Dass die behaupteten Schmerzensgeldforderungen wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht bestanden, soll den Beschuldigten dabei bewusst gewesen sein. Entsprechend sollen sie auch gewusst haben, dass für die Angeschriebenen kein Anlass für einen entsprechenden Vergleich bestand, da sie die angeblichen Forderungen gerichtlich nicht hätten durchsetzen können. Die Androhung eines Gerichtsverfahrens soll daher tatsächlich nur mit dem Ziel erfolgt sein, die Vergleichsbereitschaft zu wecken.

Bei Google Fonts handelt es sich um ein Tool, das lizenzfrei von der Firma Google für Websitebetreiber zur Verfügung gestellt wird. Internetseiten, die dieses nutzen, übermitteln die Internet Protocol (IP)‑Adresse in der Regel ohne Kenntnis und Einwilligung von Besuchern der Website automatisch an die Firma Google in den USA. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht München mit Urteil vom 20. Januar 2022 (Az. 3 O 17493/20) entschieden, dass die automatische Weitergabe der IP‑Adresse (als personenbezogenes Datum) durch den Betreiber einer Website einen datenschutzrechtlichen Eingriff darstelle, in den der Besucher der Seite nicht eingewilligt habe. Zwar handelt es tatsächlich sich um einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung, woraus nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft einem unbedarften Besucher einer solchen Webseite ein Unterlassungsanspruch erwächst – mehr aber auch nicht.

Die Beschuldigten aber sollen gerade nicht unbedarft gewesen sein: Mittels einer eigens dafür programmierten Software sollen sie zunächst Websites identifiziert haben, die Google Fonts nutzen. In einem zweiten Schritt und wieder unter Nutzung einer dafür entwickelten Software sollen sie Websitebesuche durch den vermeintlichen Mandanten automatisiert vorgenommen, diese letztlich also fingiert haben. Die dann protokollierten Websitebesuche sollen die Grundlage für die Behauptung der datenschutzrechtlichen Verstöße und die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen gewesen sein, die durch die Annahme des „Vergleichsangebotes“ angeblich hätten abgewendet werden können.

Die Beschuldigten sollen daher darüber getäuscht haben, dass eine Person die Websites besucht hat (und nicht tatsächlich eine Software). Mangels Person läge dann aber keine Verletzung eines Persönlichkeitsrechts vor. Da sie diese Besuche außerdem bewusst vorgenommen haben sollen, um die IP‑Adressen‑Weitergabe in die USA auszulösen, hätten sie faktisch auch in die Übermittlung eingewilligt, so dass eben gerade kein datenschutzrechtlicher Verstoß mehr gegeben war, der eine Abmahnung hätte begründen können. In einigen Fällen soll zudem überhaupt keine Datenübermittlung in die USA erfolgt, ein darauf basierender Anspruch aber trotzdem geltend gemacht worden sein.

420 Anzeigen von „Abgemahnten“, die letztlich nicht gezahlt haben, liegen der Staatsanwaltschaft Berlin inzwischen vor. Aus der Auswertung der Kontounterlagen der Beschuldigten ergibt sich indes, dass etwa weitere 2.000 Personen (!) das „Vergleichsangebot“ aus Sorge vor einem Zivilverfahren und in der unzutreffenden Annahme, der behauptete Anspruch bestünde tatsächlich, angenommen und gezahlt haben.

Bei Schreiben, die von Privatpersonen ohne rechtliche Vertretung abgesendet wurden, empfehlen wir weiterhin, keinen Betrag zu zahlen. Das gleiche gilt für Abmahnungen, die über Rechtsanwaltskanzleien erfolgen. Es tun sich hierbei bestimmte Kanzleien besonders hervor. Von dort aus wird massenhaft Abmahnpost versendet. Allein schon dieser Umstand, wie jetzt auch von der Staatsanwaltschaft herausgearbeitet, spricht dafür, dass keine persönliche Betroffenheit und damit kein Anspruch bestehen. Es ist auch bislang nicht bekannt geworden, dass auf Grund der fehlerhaften Verwendung von Google Fonts Datenschutzbehörden gegen Handwerksbetriebe vorgegangen wären.

Dennoch besteht ggf. akuter Handlungsbedarf: Um künftig nicht ins Visier von derartigen Massenforderungen zu geraten, sollten Webseiten umgehend dahingehend geprüft werden, ob „Google Fonts“-Schriftarten verwendet werden und falls ja, ob sie dynamisch eingebunden sind (dies ist wohl der Standardfall). Dies sollte umgehend geändert und die Schrift etwa mit Hilfe des Webseiten-Dienstleisters stattdessen lokal eingebettet werden.

Zudem gibt es kostenfreie „Google-Fonts-Checker“, um zu überprüfen, ob Google-Schriftarten in der angeprangerten Weise auf der Webseite verwendet werden:

Google-Fonts-Checker:

>>> Google-Fonts-Checker von Sicher3

>>> Google-Fonts-Checker von 54 Grad Software

 

 

 

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