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Das Ende der Sozialkassen?

Zwei sensationelle Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes vom 21.09.16 stellen das gesamte Sozialkassensystem in Deutschland vor die Existenzfrage. Das Bundesarbeitsgericht geht von der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen (AVE) der Tarifverträge zur SOKA Bau in den Jahren 2008 bis Ende 2014 aus, was immerhin zumindest bis zum 31.12.2014 der SOKA Bau und der entsprechenden Umlagekasse die Rechtsgrundlage entzieht.

Laut BAG gibt es keine tragfähige Grundlage für die Annahme des Bundesarbeitsministeriums, dass zum Zeitpunkt des Erlasses der AVE 2008, 2010 und 2014 in der Baubranche mindestens 50% der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren. Die Beschlüsse haben weitreichende Folgen, die zurzeit noch gar nicht zu überblicken sind.

Anzumerken ist, dass aufgrund des am 16. August 2014 in Kraft getretenen Tarifautonomie-Stärkungsgesetzes und damit auch der Änderung des Tarifvertragsgesetzes eine neue Gesetzesgrundlage besteht, wonach insbesondere die 50 %-Quote beim Organisationsgrad, die jetzt den Ausschlag gab, nicht mehr gilt. Seit dem 1.1.2015 beruht die Allgemeinverbindlichkeit der Bautarifverträge auf der neuen Gesetzesgrundlage. Allerdings verlangt das Tatbestandsmerkmal des öffentlichen Interesses sehr wohl einen gewissen repräsentativen Organisationsgrad. Für die Sozialkassen ist das Verfahren noch weiter vereinfacht, wobei dafür ausreichen soll:

„1. der Tarifvertrag hat in seinem Geltungsbereich für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen überwiegende Bedeutung erlangt oder

2. die Absicherung der Wirksamkeit der tarifvertraglichen Normsetzung gegen die Folgen wirtschaftlicher Fehlentwicklung verlangt eine Allgemeinverbindlicherklärung.“

Hier stellt sich schon ernsthaft die Sinnfrage, warum eine Minderheit in einer Branche der Mehrheit ihren Willen aufzwingen können soll. Es wird in jedem Fall spannend.

Die Beschlüsse haben auch Auswirkungen auf unsere Verhandlungsposition in einem laufenden (Muster-)Gerichtsverfahren. Wir hatten insoweit einen Erfolg in der ersten Instanz. Wie nicht anders zu erwarten war, ist die SOKA Bau in Berufung gegangen. Im betreffenden Prozess gegen ein Mitgliedsunternehmen des saarländischen Schreinerverbandes geht es lediglich um den Zeitraum Juli bis Dezember 2013. Und für diesen Zeitraum liegt wohl auch keine Rechtsgrundlage für die Ansprüche der SOKA Bau vor. (Dazu muss man wissen, dass bisher "nur" die Zeiträume von Oktober 2007 bis November 2011 sowie für Januar bis Dezember 2014 entschieden sind. Die Zeit dazwischen steht im Dezember 2016 zur Entscheidung durch das BAG an. Es ist kaum anzunehmen, dass das BAG hier bei gleicher Rechtslage anders entscheidet.)

Die SOKA Bau kann auch nicht rückwirkend eine Anspruchsgrundlage herbeizaubern, da ein wesentliches Tatbestandsmerkmal eben nicht erfüllt ist für die Allgemeinverbindlicherklärung. Eine rückwirkende Gesetzesänderung, wonach die 50 %-Quote keine Rolle mehr spielt, würde am verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbot für belastende Eingriffe in Grundrechte der Bürger und Unternehmen scheitern. Die SOKA Bau wird sich nun zudem mit Sicherheit zahllosen Rückforderungsansprüchen von Nicht-Mitgliedsbetrieben der Bauverbände erwehren müssen, sofern diese Ansprüche noch nicht verjährt sind.

Ärgerlich ist allerdings die Situation für Betriebe, die gezahlt haben, obwohl keine Rechtsgrundlage bestand und jetzt keine Rückforderungsmöglichkeit mehr haben.

Die Beschlüsse des Bundesarbeitsgerichtes werden wohl auch starke Auswirkungen auf sonstige AVE-Verfahren haben. Demzufolge bedürfen die AVE-Grundlagen auch zum Beispiel zur Malerunterstützungskasse einer genaueren Überprüfung! Und genauso die aktuelle AVE Bau (seit 01.07.15) - vor allem hinsichtlich des äußerst umstrittenen Beitrages für so genannte Solo-Selbstständige in Höhe von 900 €.

Besonders peinlich ist der Vorgang für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Prozessbeobachter berichten, dass sich das Bundesarbeitsgericht in der fast siebenstündigen Verhandlung auch sehr ausführlich mit der mangelhaften Befassung und Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen an Allgemeinverbindlicherklärungen durch das BMAS auseinandergesetzt und erhebliche verfahrensrechtliche und rechtsstaatliche Defizite ausgemacht hat. So fehlte für die AVE 2008 und die AVE 2010 ein Nachweis darüber, dass sich der jeweilige Bundesarbeitsminister persönlich mit den Anträgen befasst hatte, was eigentlich vom Gesetz gefordert war.

Rechtsanwalt Heinz-Josef Kemmerling vom Fachverband Tischler NRW kommentiert den Vorgang mit spitzer Feder: „Es hat sich eindrucksvoll bestätigt, was alle, die ständig mit dieser "Un-Sozialkasse" zu tun haben, schon lange geahnt haben: Da hat sich die Bauwirtschaft ein Kassensystem geleistet, dass ausschließlich "auf Lug und Trug" aufgebaut war (Schönrechnen der 50% Quote von Allgemeinverbindlichkeitsvoraussetzungen, bürokratische Schlamperei und unheilvolle Netzwerke im Bundesarbeitsministerium). Das Tragische ist, dass diese Wahrheit für viele Betriebe zu spät ans Licht kommt, die mittlerweile durch Insolvenz oder Betriebseinstellung "ihr Leben lassen" mussten. Und jetzt gilt es vor allem zu verhindern, dass evtl. Verluste der SOKA Bau wieder einmal sozialisiert werden, was bei einer gewerkschaftsnahen Arbeitsministerin nicht ganz auszuschließen ist.“

Tatsächlich hat das nun als rechtswidrig einzustufende Treiben der SOKA Bau zahllose Betriebe in den Ruin getrieben. „Wir als Schreinerverband im Saarland hatten durch unseren spezielleren Tarifvertrag mit der IG-Metall in der Vergangenheit unsere Mitglieder ohnehin und in jedem Fall auch für die Zukunft vor den Ansprüchen der SOKA Bau geschützt. Wir kennen aber genug andere Betriebe aus anderen Branchen oder für Zeiten, in denen eine Innungsmitgliedschaft noch nicht vorlag, die einige 10.000 € zahlen mussten und jetzt gerne ihr Geld zurück hätten. Einer der Antragsteller, der jetzt beim Bundesarbeitsgericht erfolgreich war, hatte 1,6 Millionen € an die SOKA Bau zahlen müssen – wie sich jetzt herausstellt ohne Rechtsgrund“, so Verbandsgeschäftsführer Michael Peter.

Die Sozialkassen sind nicht zu verwechseln mit den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung. Bei den Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) handelt es sich um gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt - IG BAU -, Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. - HDB - und Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V. - ZDB -). Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse erbringt Leistungen im Urlaubs- und Berufsbildungsverfahren (in der Rechtsform eines e. V.), die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (in der Rechtsform einer AG!) zusätzliche Altersversorgungsleistungen, die jeweils in gesonderten Tarifverträgen näher geregelt sind. Zur Finanzierung dieser Leistungen werden nach Maßgabe eines Verfahrenstarifvertrages Beiträge von den Arbeitgebern erhoben. Durch die AVE gelten die Tarifverträge nicht nur für die tarifgebundenen Mitglieder der Tarifvertragsparteien, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber der Branche. Sie sind hiernach zur Beitragszahlung verpflichtet. Sowohl die Arbeitgeber als auch ihre Beschäftigten erhalten Leistungen von den Sozialkassen.

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